Q-Gruppe bei Norddeich Radio

Uhr mit Seenotpausensegmente

Norddeich Radio

(ein etwas anderer Bericht über Norddeich Radio und dessen Ende,
                                                                                             aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit und eines Funkamateurs)

Kann man “Radio Norddeich” besichtigen, war eine oft gestellte Frage an Fritz Deiters, Öffentlich- keitsbeamter bei der ehemaligen Küstenfunkstelle Norddeich Radio. Als Antwort kam dann gewöhnlich - nein - ein “Radio Norddeich” gibt es nicht. Dann herrschte meistens für einige Sekunden betretenes Schweigen in der Leitung, und dann kam die Anmerkung vom Anrufer:
“Ja aber, das liegt doch da am Deich.....usw.”, bis Fritz Deiters dann wieder einlenkte und sagte: Sie meinen sicherlich “Norddeich Radio”, womit dann meistens das Eis gebrochen war und wir wieder beim Thema waren. Auch wenn es scherzhaft anmutet, so steckte doch ein ernster Hintergrund dahinter, denn weltweit werden Küstenfunkstellen mit der Ortsbezeichnung vorweg benannt, während bei Rundfunksendern die Benennung umgekehrt ist, also zuerst das Radio und dann die Ortsbezeichnung. Es gab z.B. Bremen Radio als fernbediente Küstenfunkstelle und es gibt
Radio Bremen als Rundfunksender.

Kommen wir aber zurück zu Norddeich Radio  D A N

Hier fangen die Ungereimtheiten schon wieder an. Wo lag denn überhaupt dieses

>> N o r d d e i c h     R a d i o  <<

Auch diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Auf jeden Fall nicht mehr in Norddeich, wie der Name es vermuten lässt. Viele Besucher wussten nicht (woher auch), dass die Küstenfunkstelle aus zwei Einrichtungen bestand:

  • einer Empfangsfunkstelle und Betriebszentrale in Utlandshörn
  • einer Sendefunkstelle in Osterloog

Heute könnte man auch sagen in Norden, denn nach der Gebietsreform in den 70er Jahren gehören die einzelnen Orte Norddeich, Osterloog und Utlandshörn zur Stadt Norden in Ostfriesland.

Die Deutsche Bundespost - jetzt Deutsche Telekom AG - hatte als Träger den Seefunkbetrieb zunächst der Zuständigkeit der Direktion Telekom (DT) Hamburg zugeordnet. Der Dienstzweig war organisatorisch dem Fernmeldeamt 1 in Hamburg angegliedert. Diese Zuordnung war sinnvoll, da es zu der Zeit noch 3 weitere Küstenfunkstellen gab, die mit Personal besetzt waren und Hamburg somit zentral lag.

Vorweg:
Der Küstenfunkdienst in Deutschland wurde am 31.12.1998 abgeschaltet
.

 

 

Zunächst ein geschichtlicher Rückblick

Unmittelbarer Anlass für die Gründung der Funktelegraphen-Station Norddeich war folgende Begebenheit:

Kaiser Wilhelm II. wollte nach Rückkehr von einer Mittelmeerreise im Jahre 1905 eine Depesche, heute auch Telegramm genannt, absenden. Sein Schiff, der HAPAG-Dampfer “Hamburg”, war mit einer Telefunken-Sende-Anlage ausgerüstet. Die einzige damals existierende Küstenfunkstelle auf der Insel Borkum war eine Marconi-Station, und die verweigerte die Annahme eines Telegramms des Kaisers. Eine internationale Regelung gab es noch nicht, so dass nur Verkehr innerhalb der Systeme angenommen wurde. Drei Tage später, wieder an Land, wies der Kaiser sein Reichspostamt an sofort eine Deutsche Küstenfunkstation zu errichten. Borkum war zwar ein funktechnisch hervorragender Standort, aber das Reichsmarineamt forderte aus strategischen Gründen einen weiter innen in der Nordwestecke Deutschlands gelegenen Platz.

Man versetze sich in die Zeit zurück, wie damals mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Funkdienst abgewickelt wurde, darum musste man so weit wie möglich ans Wasser, damit man auch soweit wie möglich in den Ärmelkanal hineinfunken konnte.

Aus diesem Grund fiel die Entscheidung zum Aufbau einer deutschen Station auf ein Gelände
ca. 2,5 Km westlich vom Fischerdorf Norddeich. Die Bodenbeschaffenheit war von “besonders günstigen Erdleitungsbedingungen”, wie Fachleute damals formulierten.

Allerdings waren die ersten Ergebnisse höchst unbefriedigend. Die Reichweiten zu den Versuchs- Gegenstationen, die von der Reichsmarine auf dem Kreuzer “Vineta” und auf dem Kreuzer “München” eingebaut worden waren, erwiesen sich als noch viel zu kurz. Es gab jede Menge Messungen und Änderungen, bis man ein vorläufiges Optimum erreicht hatte. Jetzt war die “Vineta”, die gerade via Vigo/Portugal nach Madeira unterwegs war, noch in 1600 Kilometer Entfernung, nachts sogar über 1730 Kilometer erreichbar.

Am 30. April 1907 nahm die Reichspost die technischen Einrichungen
der Funkentelegraphenstation Norddeich ab und

am 01. Juni 1907

wurde der allgemeine öffentliche Seefunkverkehr eröffnet.

Zunächst wurde nur in geringem Umfang Telegrammverkehr mit einigen deutschen Fahrgastschiffen durchgeführt. Soldaten der damaligen Reichsmarine führten den Nachrichtenverkehr mit den deutschen Kriegsschiffen durch.
Mit ihren überragenden Reichweiten rückte die Station Norddeich von Anfang an auf einen der ersten Plätze der bis dahin existierenden Küstenfunkstellen in Europa. Entsprechend gewichtig war die deutsche Stimme bei zwischenstaatlichen Konferenzen für den Funkverkehr, vor allem bei jener von 1912 in London, die zum Abschluss eines internationalen Funkvertrages führte. Der Vertrag schrieb eine allgemeine Verkehrspflicht aller Funkstellen ohne Rücksicht auf das benutze System vor. Damit wurde das Marconi-Monopol gebrochen und ein uneingeschränkter Nachrichtenaustausch zwischen allen Schiffen und Küstenfunkstellen möglich. Mit dem Vertrag wurde auch das internationale Seenotzeichen SOS eingeführt.

Eine dauernde Hörbereitschaft auf der Welle 600m (500 kHz) wurde vom Reichspostamt angeordnet.

Das bedeutete auch in personeller Hinsicht eine starke Belastung. In zwei Schichten wurde jeweils 12 Stunden gefunkt. Das Morsen war mit ohrenbetäubendem Lärm verbunden. Obwohl man den Senderraum mit einer 20 cm dicken Ascheschicht plus Filzbelag umgeben hatte, war das donnernde, kratzende Betriebsgeräusch der Knallfunken-Sender im Freien kilometerweit zu hören.

Durch den Ersten Weltkrieg wurde die rasante weitere Ausweitung des Dienstes gestoppt. Der zivile Seefunkverkehr war fast vollständig lahmgelegt. Dafür wuchs der militärische Funkverkehr. Erst im März 1919, fünf Monate nach Kriegsende, konnte nach gründlicher Überholung der Küstenfunkstelle Norddeich wieder das erste zivile Telegramm aufgenommen werden. Mit dem wiederaufleben des Handelsverkehrs wurde der Seefunkverkehr immer stärker und die Störungen des Empfangs durch die eigenen Sender wurden so gravierend, dass eine räumliche Trennung von Sendern und Empfängern notwendig wurde.

So wurde Anfang 1924 am Rande der Stadt Norden eine Empfangsstation errichtet, deren Lage sich aber nicht bewährte, weil die Störungen durch elektrische Geräte in den umliegenden Haushalten im Laufe der Zeit zunahmen. Aus diesem Grunde wurde im Jahre 1930 das Grundstück in Utlandshörn gekauft und am 08. Dezember 1931 die Empfangsfunkstelle in Betrieb genommen.
(die bis zuletzt bestehende Betriebszentrale und Empfangsfunkstelle der Küstenfunkstelle Norddeich Radio).

Das Gebäude in Norden wurde zum Mietshaus umgebaut; eine Tafel am Eingang erinnert an vergangene Zeiten.
Im Laufe der Jahre wurden die Techniken verfeinert und ausgebaut, der Verkehr nahm stetig zu. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges brach der zivile Seefunkdienst erneut zusammen. Die Hauptfunk- stelle Norddeich diente vom ersten Kriegstag an der deutschen Marineleitung, blieb aber von einer Zerstörung verschont.

Nach Kriegsende, im Mai 1945, besetzten britische und kanadische Soldaten die Hauptfunkstelle Norddeich und den im Jahre 1939 in Osterloog aufgebauten Großrundfunksender. Dieser Rundfunksender war der Hauptfunkstelle Norddeich unterstellt und strahlte Propagandasendungen für Nordosteuropa ab, wurde dann vom britischen Soldatensender (BFN) übernommen und kurze Zeit später einer Außenstelle von BBC - London.

Am 18. Mai 1948 durfte Norddeich Radio den öffentlichen Seefunkdienst wieder aufnehmen und es begann ein unerhörter Aufschwung des Seefunkverkehrs.

Die Zeiten normalisierten sich, so dass auch BBC-London bald kein Interesse mehr an den Rundfunkanlagen hatte. Der Komplex ist dann vom damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) übernommen worden, um die Bevölkerung mit Nachrichten und Musik zu versorgen. Ein paar Jahre später wurde die UKW-Technik im Rundfunkbereich eingeführt und in Aurich/Ostfriesland die dafür notwendigen UKW-Sender aufgebaut, so dass der Nordwestdeutsche Rundfunk eines Tages nicht mehr an den Anlagen interessiert war.

Einige Ereignisse verliefen jetzt parallel. Da es auch mit dem Seefunk stetig aufwärts ging kam die Deutsche Bundespost, als Betreiberin des Küstenfunkdienstes immer mehr in Bedrängnis, die Anlagen zu erweitern und zu modernisieren, es musste also etwas geschehen.

Die Anlagen in Osterloog waren bereits modernisiert, und so wurde 1964, als der NWDR die Anlagen abgeben wollte, das ca. 23 ha große Gelände und der Hochbau des ehemaligen Großrundfunksenders Norden - Osterloog von der Deutschen Bundespost erworben und kontinuierlich zu einer modernen Sendefunkstelle ausgebaut. Am 01.01.1971 wurde das Gelände auf ca. 35 ha vergrößert. Im Zuge dieser Entwicklung wurden die Aufgaben der Sendefunkstelle Norddeich nach und nach zur Sendefunkstelle Osterloog verlagert.

Im November 1970 wurde in Norddeich der letzte Sender abgeschaltet und damit der Sendebetrieb im ältesten Teil der Küstenfunkstelle Norddeich Radio nach fast 64-jähriger Tätigkeit eingestellt.

Die Verkehrsentwicklung hatte weiterhin eine positive Entwicklung, so dass die zur Bewältigung des Verkehrs zur Verfügung stehenden Sender nicht mehr ausreichten.

Auch die technische Entwicklung war nicht stehen geblieben. Im Dezember 1971 wurde ein neues Funkfernschreibverfahren eingeführt, das von Philips entwickelte SITOR-System; bei Funkama- teuren auch AMTOR genannt oder allgemeine auch als ARQ-Verfahren bezeichnet.

Parallel zu dieser Entwicklung kam dann bald die Satellitentechnik für interkontinentale Kommunikation. Überseetelefon- und Telexverbindungen, die bis dahin über Kabel bzw. Kurzwelle abgewickelt wurden, verlegte man in die neuen Satelliten-Systeme, d.h., die Sender der Überseesendefunkstelle in Elmshorn bei Hamburg, zuständig als Sendefunkstelle für feste Kurzwellenverbindungen in alle Welt, hätten abgeschaltet werden müssen, wenn nicht seitens des Seefunkdienstes der Druck auf mehr Senderbedarf gekommen wäre. Modulationsleitungen für Sprache und Tastleitungen für Morsetelegraphie wurden nach Elmshorn geschaltet, die Sender auf Seefunkfrequenzen umprogrammiert, so dass weitere 20 Sender in Elmshorn für Norddeich Radio betrieben werden konnten. Über eine Fernwirkanlage wurden Frequenzen, Modulationsarten und sogar die Antennenrichtungen fernbedient.

Von der Betriebszentrale in Utlandshörn aus wurden also beide Sendefunkstellen, d.h., die eigene Sendefunkstelle in Osterloog und die Sender in Elmshorn, fernbedienst betrieben. Allerdings wurde die Anzahl der Sender in Elmshorn durch die später einsetzende negative Verkehrsentwicklung im Seefunkdienst im Laufe der Jahre immer weiter verringert und aufgegeben.

Die weitere Entwicklung ist auf den “Ergänzungen” nachzulesen.