Veränderungen bzw. Ereignisse seit 1994.........................
SOS de DAN, Norddeich Radio, eine weltweit bekannte und traditionsreiche Küstenfunkstelle, und inzwischen auch die letzte mit Personal
besetzte Küstenfunkstelle in Deutschland, hat inzwischen die Lichter ausgeschaltet.
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Was ist aber seit 1994 geschehen:
Die vorsichtig angedeutete Prognose in der Zeitschrift “cq VFDB” aus dem Jahr 1994:
Zitat:
“Nach jetziger Einschätzung sieht es so aus, dass der Seefunk in Deutschland die Jahrtausendwende wohl noch überstehen wird”
ist leider nicht eingetroffen.
Auch das pausenlose Aussenden von “S O S, Norddeich Radio” konnte den Seefunkdienst
nicht retten.
Wie ging es weiter, was ist aus der Einrichtung geworden?
Die jetzt folgenden Ausführungen betrafen sowohl Norddeich Radio, als auch andere Küstenfunk- stellen.
Der Kurzwellenverkehr wurde seit dem 22.04.1991 ausschließlich von Norddeich Radio durchgeführt.
Das Verkehrsaufkommen ging rasant weiter zurück.
Mit dem Satellitenseefunk über die Satelliten der internationalen Organisation INMARSAT und dem
Mobilfunk erwuchsen dem herkömmlichen Seefunkdienst Konkurrenten, die fast alles schneller und besser sowie künftig auch kostengünstiger konnten.
Über Satellit sind weltweit Fernsprech-, Fernschreib- und Faxverbindungen, z.B. ohne Abhängigkeit
von den Ausbreitungsproblemen der Kurzwelle möglich und können von jedem Bürger durch Selbstwahl aufgebaut werden. Selbst Datenübertragung ist über das System machbar.
Über 4 Kennzahlen - jeder Satellit hat eine Vorwahlnummer - und die entsprechende Telefonnummer sind Schiffe, die mit INMARSAT ausgerüstet sind, anwählbar.
Der Mobilfunk (eine “Konkurrenz” aus dem eigenem Hause der Deutschen Telekom AG) dringt etwa
gleich weit, wie die UKW-Küstenfunkstellen, in den Küstenbereich ein und bietet schnelle selbstgewählte Verbindungen in beide Verkehrsrichtungen.
Durch den weiteren Ausbau der Netze wird das bald alle Küsten in Europa betreffen.
Allerdings kann das System “Mobilfunk - Handy” kein Ersatz sein für die Sicherheit an Bord.
Aber auch im Bereich Sicherheit gab es in den folgenden Jahren Veränderungen. Das alte Seenotsystem
, welches auf das Beobachten der internationalen Seenotfrequenzen durch das menschliche Ohr basierte (im KW / GW / MW-Bereich), wurde auf ein digitales System umgestellt. Seenotfälle werden
mit dem neuen System per Knopfdruck ausgelöst. Die Alarmierung erfolgt über UKW, Grenzwelle oder das Satelliten-System. Es handelt sich dabei um das so genannte DSC-Verfahren oder auch als GMDSS bezeichnet.
Bei den Küstenfunkstellen wurde dieses neue System im Jahre 1993 eingeführt. Die Reeder gekamen Zeit bis 1999 ihre Schiffe auf das neue System umzurüsten.
Das bedeutete für die Küstenfunkstellen, dass die Beobachtung der internationalen Seenotfrequenzen spätestens zum 31. Januar 1999 eingestellt werden konnte. Das bedeutete aber auch, dass dann für den
Reeder die Verpflichtung nach internationalen Vorschriften entfiel, aus Sicherheitsgründen einen Funker an Bord zu führen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, also mit dem Einbau der neuen Techniken, konnte
der Funker an Bord eingespart werden, somit gab es auch keine Partner mehr für die Küstenfunkstellen, die noch das Morsezeichen verwendeten. Aus diesem Grunde wurde im Jahr 1995 die
Morsetelegraphie abgeschaltet und auch das Beobachten der Seenotfrequenzen in diesem Bereich eingestellt, was sich natürlich auch erheblich auf die Personaltruktur auswirkte.
Letzte Telegrafie-Aussendung DAN auf 500 kHz am 31.12.1995
cq cq cq de dan dan dan = this is the last announcement on 500 khz:
norddeich radio/dan will close the medium wave telegraphy service and the security watch on 500 khz now. oxb will maintain watch on 500 khz for german sar area++ de dan dan +
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Da aber nach internationalen Verträgen eine weitere Beobachtung der Seenotfrequenzen erforderlich
war, verlagerte man die Seenotbeobachtung für die Deutsche Bucht an dänische Küstenfunkstellen.
Diese Entwicklung (neue Techniken und weitere Einflüsse, wie Ausflaggung, weniger Besatzungen usw
.) hat in den letzten 10 Jahre des Seefunks auch dazu geführt, dass die Küstenfunkstellen weltweit einen erheblichen Verkehrsrückgang zu verzeichnen haben.
Auch die deutschen Küstenfunkstellen sind davon nicht verschont geblieben.
Zur Hochkonjunkturzeit, Anfang der 80er Jahre, waren es noch 260 Beschäftigte bei Norddeich Radio,
danach noch 190 Kolleginnen und Kollegen beschäftigt, Empfangs- und Sendfunkstelle zusammengerechnet, Beamte, Angestellte und Arbeiter, ein Großteil im Schichtdienst.
Diese rückläufige Entwicklung hat auch dazu geführt, dass die Deutsche Telekom AG die noch
existierenden Küstenfunkstellen zwischen Rügen Radio und Norddeich Radio geschlossen hat.
Zum 31.12.1994 wurde das Peilfunknetz Nordsee abgeschaltet. Bis dahin konnten auf den Frequenzen
Mittel-, Grenz- und Kurzwelle Schiffe in Seenot gepeilt werden, also der momentane Standort des Schiffes konnte ermittelt werden.
Jetzt gab es nur noch 2 Küstenfunkstellen. Rügen Radio hatte zunächst als regionale Küstenfunkstlle die Ostsee und Norddeich Radio hatte dann
regional einmal die Nordsee (Deutsche Bucht) zu versorgen gehabt und den Rest weltweiten Verkehr auf Kurzwelle durchzuführen.
Im Jahr 1996 erfolgte die Übernahme aller Techniken der UKW-Küstenfunkstellen von Nord- und
Ostsee durch Norddeich Radio und damit Abschaltung der bis dahin mit Personal besetzten Küstenfunkstellen.
Ebenfalls erfolgte im Jahre 1996 die Abschaltung der Seenotfrequenz 2182 kHz. Die
Seenotbeobachtung für die Deutsche Bucht übernahm auch hier die dänische Küstenfunkstelle. Gleichzeitig mit dem Abschalten der 2182 kHz auf Grenzwelle, erfolgte die Einstellung der
Gesprächsvermittlung auf Grenzwelle.
Zum 20.09.1996 wurde die Kurzwellen-Telefonie, also Gesprächsvermittlung auf Kurzwellen eingestellt.
Der letzte Dienst auf Kurzwelle, Sitor (Funkfernschreiben) wurde zum 21.12.1997 eingestellt.
Diese Rückläufige Entwicklung führte im Laufe des Jahres 1997 zur Abschaltung der Grenz- und
Kurzwelle und damit zur kompletten Abschaltung der Sendefunkstelle Osterloog zum 31.12.1997.
Gesprächsvermittlungen auf UKW und die Beobachtung der Seenotfrequenz auf Kanal 16, 156,8 MHz
, wurden zuletzt ausschließlich über Norddeich Radio durchgeführt. Doch auch das war nur eine Übergangslösung, denn ein Jahr später, also zum Ende des Jahres 1998 wurden auch die verbliebenen
UKW-Techniken in der Empfangsfunkstelle Utlandshörn abgeschaltet.
Letzte Sprechfunk - Aussendung am 31.12.1998
“this is norddeich radio, good-bye for ever, over and out”
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Da aber die Beobachtung der Seenotfrequenzen an Deutschen Küsten weiter erfolgen musste, geregelt
in internationalen Verträgen, wurde vor der Abschaltung die “Sicherheitstechnik” zur DGzRS,
“Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger” nach Bremen umgesetzt. Die DGzRS hat dann mit der Schließung von Norddeich Radio, zum Ende des Jahres 1998, die Seenotbeobachtung auf
UKW übernommen.
Um aber die Nordseeküste weiterhin mit dem Seenot - UKW - Kanal 16 abdecken zu können, Problem
Ausbreitungsbedingungen, ist bei der ehemaligen Empfangsfunkstelle Utlandshörn ein Gittermast stehen geblieben und ebenfalls die entsprechende Sende- und Empfangstechniken für UKW, um eine
Beobachtung des UKW Kanals 16 in Richtung Niederlande sicher zu stellen. Diese, wie auch alle anderen UKW - Seenotkanäle werden von der DGzRS in Bremen fernbedient betrieben.
Mit Ausnahme der Sendefunkstelle Osterloog erinnert zumindest in Utlandshörn der Gittermast noch an
alte Küstenfunkzeiten. Für Gäste an der Küste und Interessierte ist also noch erkennbar, wo einst die Küstenfunkstelle Norddeich Radio war.
Kurze Zeit später wurden dann auf dem Gelände in Utlandshörn alle anderen Antennen abgebaut.
Eine Gesprächsvermittlung fand nicht mehr statt.
Ende 1998 war also das endgültige AUS des Küstenfunkstellen in Deutschland.
Die noch verbliebene UKW-Technik für den Notrufkanal 16 wird jetzt von der DGzRS aus Bremen
fernbedient. Von dort wird der Kanal 16 in der Nordsee von Holland bis Dänemark und in der Ostsee von Dänemark bis Polen durch die DGzRS beobachtet.
Grundsätzlich stimmt die ganze Entwicklung natürlich traurig, wenn eine so weltweit bekannte
Instituion abgeschaltet wird. Man darf allerdings nicht übersehen, dass der Seefunk in der geschilderten Form, teilweise von der Technik überrollt worden ist, das gilt zumindest bezogen auf die
Industrienationen. Auch die Privatisierung der Deutschen Bundespost (DBP) zur Deutschen Telekom AG hat zum schnelleren Abbau des Seefunks in Deutschland beigetragen.
Damit wurde aber ein Stück weltweiter Tradition in Deutschland endgültig zu Grabe getragen.
Der im Jahre 1907 gestartete öffentliche Seefunkdienst in Deutschland hatte damit ein Ende und ist leider keine 100 Jahre alt geworden.
Auch wenn das Ganze nicht mit “trockenen Augen” abgelaufen ist, brauchten sich die Menschen um
die Arbeitsplätze keine Sorgen zu machen. So ganz ist der SOS-Ruf doch nicht ins Leere gegangen, denn er wurde in der Telekom Zentrale in Bonn gehört.
Zur Vorgeschichte:
Rechtzeitig, als die negative Entwicklung bekannt und nicht mehr zu verhindern war, wurden viele
Aktivitäten durch Personalvertretung, Gewerkschaft und Politiker, vor allen Dingen aber durch die Bediensteten selbst ausgelöst.
Das hat eines Tages dazu geführt, dass uns eine neue Aufgabe im Bereich DAB - Digital Audio Broadcasting, übertragen wurde.
Die Übernahme weiterer Aufgaben aus anderen Bereichen kam hinzu, so dass alle Kollegen, auch mit dem Ende des Seefunks im Jahre 1998, ihren Arbeitsplatz in Utlandshörn behalten konnten.
Es hat also mit dem Abschalten des Seefunks bei den Mitarbeitern keine sozialen Härten gegeben.
Ein Teil der Kräfte konnte aus Altersgründen in Rente bzw. Pension gehen.
Der anfängliche notwendige Personalabbau konnte also sozialverträglich durchgeführt werden.
Inzwischen sind wieder mehr Menschen im Gebäude beschäftigt, als es in den letzten Tagen des Seefunks der Fall war, da weitere neue Aufgaben hinzukamen.
Hier endet zunächst der Bericht zu der weiteren Entwicklung des Küstenfunks und speziell über Norddeich Radio.
Fritz Deiters
Artikel geschrieben und zusammengestellt von Fritz Deiters. (von 1988 bis 1995 Öffentlichkeitsbeamter bei der Küstenfunkstelle Norddeich Radio)
Was geschah noch nach der Abschaltung der Sendefunkstelle Osterloog zum Ende des Jahres 1997?
nachzulesen auf der Seite “Ergänzung II”
(mit Änderungen muss noch gerechnet werden)
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